Um es vorwegzunehmen: Ich bin besorgt. Kaum daß unsere Ordnungshüter und ihre verkniffenen Mitstreiter das Rauchverbot in geschlossenen Räumen und Gaststätten verhängt haben, bereiten sie ihre nächste Attacke vor. Der Triumph über die Qualmer beflügelt sie. Jetzt ist das Essen dran. Der Verzehr von Nahrungsmitteln auf Kosten der Solidargemeinschaft der Versicherten soll bestraft werden.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat prompt mit großem Aufwand eine umfangreiche „Nationale Verzehrsstudie“ erstellen lassen, die, wie sollte es anders sein, zu verheerenden Ergebnissen gelangt. 80 Milliarden Euro an Zusatzkosten zu Lasten der Solidargemeinschaft verursachen demnach die ernährungsbedingten Gesundheitsschäden. Unerhört!!!! Und das auch noch angesichts der chronisch defizitären Sozialkassen! „Da muß und wird etwas geschehen!“ So ein hoher Ministerialbeamter. Besagte Studie bietet ja bereits eine unanfechtbare wissenschaftliche Grundlage für drakonische Maßnahmen. Noch beschränkt sich das Ministerium allerdings auf bundesweite „Aufklärungskampagnen“. Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Kabinett die Beseitigung des Dickseins auf die Agenda setzen wird. Siegmar Gabriel macht vorsorglich bereits eine Abmagerungskur.
Auch in Brüssel brüten schon längst Heerscharen von magersüchtigen Eurokraten über Plänen, wie der homo europeanus gertenschlank gezüchtet werden kann. Selbst die Hausschlachtungen haben sie im Visier, da diese ja den Dicken ein ideales Schlupfloch bieten. Bislang kommen sie jedoch noch nicht recht weiter, da die Lobbyisten aller Art, Agrarfunktionäre, Metzgerinnungen, Tierärzteverbände, Lebensmittelhändler, Pharmavorstände, Ärztevertreter, Bekleidungsunternehmer u.a., sie permanent in Atem halten. Sie wären aber keine Eurokraten, wenn sie nicht doch in absehbarer Zeit Verordnungen und Normen gegen unsere Dicken zustande brächten.
Der Hotel- und Gaststättenverband weiß das und plant daher, um nicht wieder wie bei der Nichtraucherschutzregelung von EU-Auflagen überrascht zu werden, Gerüchten zufolge sogar vorsorglich, in Pilotprojekten sogenannte Nichtesser-Restaurants zu erproben. Alternativ dazu wird an verschiedenen Speisekarten gearbeitet, solchen für Dünne und solchen für Dicke. An jedem Tisch wird eine Waage stehen und das Küchen- und Bedienungspersonal wird fachlich und psychologisch geschult werden müssen, um den zu erwartenden Protesten der Dicken geschmeidig zu begegnen.
Supermarktketten sollen sogar schon errechnet haben, wie hoch ihr Verlust sein wird, wenn ein Verbot von Lebensmittelverkäufen an Übergewichtige verhängt wird. Die Mitarbeiterzahl muß wesentlich erhöht werden, um die Dicken von den Kaufberechtigten auszusortieren. Auch Strategien gegen Lebensmitteldiebstähle hungriger Molliger sind angeblich in Arbeit. Um Ordungsdienste, bewehrt mit Gummiknüppeln, wird man wohl nicht herumkommen. All dieses wird zu einer völlig neuen Preisgestaltung führen, damit die Verluste im Dienste der menschlichen Verschlankung ausgeglichen werden. Wie werden die Dünnen auf die zu erwartenden Preiserhöhungen reagieren?
Die Gewerkschaft, die sich bisher nur um die Anerkennung des sogenannten Servicesyndroms als Berufskrankheit bemüht hat, hält inzwischen die Arbeitsbedingungen in Speiselokalen überhaupt für unzumutbar, denn die Kellner leiden angeblich schon seit langem unter dem Passivverzehr beim Anblick der Nahrungsaufnahme. Depressionen, Widerwärtigkeiten, ja sogar Alkoholismus seinen häufige Folgeerscheinungen. Da muß Abhilfe geschaffen werden. Angesichts der konzertierten Aktion gegen die Dicken können natürlich die Medien nicht fehlen. Eingefallene Münder in verknitterten Gesichtern, aus denen stechende Fieberaugen zucken, stoßen in diversen Talkshows Beschimpfungen gegen alle Dicken aus. Auf solarbetriebenen Rechnern wird ermittelt, was jedes Gramm Übergewicht die Solidargemeinschaft kostet. Und dann der abstoßende Anblick jedes Dicken!!!! Widerlich, widerlich!!!! Da wird sogar von einer Verstopfung der sozialen Zukunft durch die Leibesfülle der Dicken und namentlich im Hinblick auf die Jugend von einem inakzeptablen gesellschaftlichen Beispiel durch ungebremste Verzehrsfreude gesprochen. Von wegen „fat is beautyfull“! Knöcherne Gestalten mit faltiger Lederhaut, durch die jedes Äderchen drückt, sind die Ideale. Verachtung und Haß durchströmt die Studios. Die Dicken sind der Belzebub schlechthin. Reumütige Mollige werden als Kronzeugen der Kampagne vorgeführt, befragt und bemitleidet und das Studiopublikum klatscht.
Den Dicken stehen also schwere Zeiten bevor, denn nur notorische Naivlinge unter ihnen können annehmen, daß sie ungeschoren, besser gesagt unabgespeckt, davon kommen werden. Es wogt vielmehr ein Tsunami auf sie zu. Dabei mag ich doch die Dicken so gerne. Sie sind so menschlich!
Und sollten wir, ob dick oder dünn, nicht alle menschlich sein? Und schließlich: Schönheit ist keine Frage des Gewichtes. Oder sind alle Mageren schön und alle Dicken häßlich? Nun, Geschack ist ja bekanntlich so eine Sache.
Laßt mir also die Dicken in Ruhe! Sie sind ja schließlich auch nicht teurer als die Autofahrer, die Extremsportler, die Hektiker, die Rentner und, und…. Oder wollt Ihr alle Kostenverursacher liquidieren?
Schöne Neue Welt!