Der Anschluss Siebenbürgens an Rumänien und die Siebenbürger Sachsen

Einleitung

Die Siebenbürger Sachsen hatten trotz ihrer Enttäuschung über die Habsburger, die ihre Interessen nur halbherzig unterstützt hatten, und insbesondere ihrer schlechten Erfahrungen mit dem übersteigerten Nationalismus der Budapester Regierung nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich vom Jahre 1867 begeistert an der Seite der Doppelmonarchie an den Kämpfen im Ersten Weltkrieg teilgenommen und einen hohen Blutzoll geleistet. Sie hatten 4850 Tote und Vermisste sowie 4779 Verwundete, unter ihnen 1449 Kriegsinvaliden, zu beklagen. Ihre Loyalität galt nach wie vor ungebrochen der Habsburger Monarchie, ja sogar dem ungarischen Staat, mit dessen Regierung sie sich zu Beginn des Jahrhunderts nach schweren Kämpfen irgendwie arrangiert hatten.

Die rumänische Nationalversammlung am 01.12.1918

Nach dem desaströsen Ausgang des Krieges für die Doppelmonarchie überschlugen sich die Ereignisse und die Siebenbürger Sachsen befanden sich plötzlich in einer sehr schwierigen Situation, ja in einem Dilemma:

Auf der einen Seite fand am 01.12.1918 die legendäre „Nationalversammlung“ der in Siebenbürgen, dem Banat und in Ungarn lebenden Rumänen mit an die 100.000 Teilnehmern statt. Unter tosendem Beifall wurde die Vereinigung der von ihnen bewohnten Gebieten mit Rumänien und eine Resolution beschlossen, in der es u.a. hieß:

I. Die Nationalversammlung aller Rumänen aus Siebenbürgen, dem Banat und Ungarn, die durch ihre beglaubigten Vertreter am 01.12.1918 (18.11.1918 nach altem Stil) in Karlsburg versammelt sind, beschließt die Vereinigung dieser Rumänen und aller von ihnen bewohnten Gebiete mit Rumänien. Die Nationalversammlung verkündet insbesondere das unveräußerliche Recht der rumänischen Nation auf den ganzen Banat, eingeschlossen von den Flüssen Marosch, Theiß und Donau.
II. Die Nationalversammlung behält allen oben genannten Gebieten die provisorische Autonomie bis zum Zusammentritt der auf Grund des allgemeinen Wahlrechts gewählten Konstituante vor.
III. Im Zusammenhang mit dieser als dem Grundprinzip für die Gestaltung des neuen rumänischen Staates verkündet die Nationalversammlung das Folgende:

  1. Die volle nationale Freiheit für alle mitbewohnenden Völker. Jedes Volk wird den Unterricht, die Verwaltung und die Rechtspflege in seiner eigenen Sprache durch Individuen aus seiner eigenen Mitte haben, und jedes Volk wird das Recht der Vertretung in den gesetzgebenden Körperschaften und in der Regierung im Verhältnis der Zahl der zu ihm gehörigen Individuen haben.
  2. Gleichberechtigung und volle autonome konfessionelle Freiheit für alle Konfessionen im Staate.
    3.Volle Verwirklichung eines rein demokratischen Regimes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens. Allgemeines, direktes, gleiches, geheimes, gemeindeweises Proportionalwahlrecht für beide Geschlechter im Alter von 25 Jahren für die Vertretung in Gemeinde, Bezirk oder Parlament.
  3. Vollständige Preß-, Vereins- und Versammlungsfreiheit; freie Propaganda aller menschlichen Gedanken.
  4. Eine gründliche Agrarreform. Es wird eine Zusammenschreibung sämtlicher Besitze gemacht werden, insbesondere der großen Grundbesitze. Auf Grund dieser Zusammenschreibung, indem die Fideikommisse aufgehoben werden, und auf Grund des Rechts, nach Bedarf die Latifundien zu verkleinern, wird es dem Landmann möglich gemacht werden, sich seinen Besitz zu schaffen (Ackerland, Weide Wald) wenigstens von solcher Größe, als er mit seiner Familie bearbeiten kann. Der leitende Grundsatz dieser Agrarpolitik ist einerseits die Förderung der sozialen Gleichheit, andererseits die Steigerung der Produktion.
  5. Der industriellen Arbeiterschaft werden dieselben Rechte und Vorteile zugesichert, die in den fortschrittlichen Industriestaaten des Westens gesetzlich festgelegt sind.
    IV. Die Nationalversammlung gibt ihrem Wunsche Ausdruck, der Friedenskongreß möge die Gemeinschaft der freien Nationen in solcher Weise zustande bringen, daß das Recht und die Freiheit für alle Nationen groß und klein in gleicher Weise gesichert sei und daß in Zukunft der Krieg als Mittel für die Regelung der internationalen Beziehungen ausgeschaltet sei………………………………………………………………………..

Darüber hinaus wurde ein Nationalrat eingesetzt, der nun seinerseits einen Regierungsrat (Consiliu Dirigent) wählte, welcher als eine Art Übergangsregierung fungieren sollte. Ihm gehörten bedeutende Persönlichkeiten an, die auch von den Siebenbürger Sachsen hoch geschätzt wurden. Es waren dies u.a. Juliu Maniu (Vorsitzender), Vasile Goldis, Alexandru Vaida-Voevod, Octavian Goga und Valeriu Braniste. Dieser Regierungsrat nahm dann seinen Sitz in Hermannstadt, sah sich jedoch zunächst einem Chaos gegenüber und hielt die öffentliche Ordnung nur mit Müh und Not aufrecht. Die deutschen Truppen unter Mackensen hatten sich aufgelöst und rückten ab, die rumänische Armee rückte zwar in Siebenbürgen ein, kontrollierte es aber nur teilweise.

Auf der anderen Seite war die neue ungarische Regierung unter dem Grafen Mihaly Karoly nicht bereit, Siebenbürgen preiszugeben, und ordnete einheitliche Bürgerwehren an, die Hab und Gut der Bürger schützen sollten, konnte sich aber nicht durchsetzen, so dass sich allerorts ethnisch getrennte Bürgerwehren bildeten. Wolfgang Rehner zitiert im Jahrbuch 2018 des „Hilfskomitee – Gemeinschaft ev. Siebenbürger Sachen“ den damaligen Stadtprediger von Mühlbach, der treffend die Stimmung wiedergab: „Ungarische Soldaten und Gendarmen sowie Beamte waren verschwunden. Eine sächsische Garde beschützte die innere Stadt, bis im Januar 1919 rumänisches Militär einrückte und Ordnung machte, denn wir gehörten ja nun zum vergrößerten Königreich Rumänien, was uns schwer einleuchten wollte…..“. Die Repräsentanten der Siebenbürger Sachsen befanden sich in einem tiefen inneren Zwiespalt und wussten zunächst nicht, wie sie sich verhalten sollten. Der ungarische Staat, dem über Jahrhunderte die Loyalität der Siebenbürger Sachsen gegolten hatte, existiert ja noch, aber es waren Entwicklungen im Gange, die völlig neue Tatsachen zu schaffen schienen, die nicht ignoriert werden konnten. Waren die Karlsburger Beschlüsse schon eine Vorentscheidung, oder konnte sich noch etwas ändern? Was war also in einer solchen Lage zu tun? Die Devise hieß zunächst: abwarten. Die Siebenbürger Sachsen hatten bereits seit der Zerschlagung des Königsbodens im Jahre 1876 einen Zentralausschuss zur Vertretung ihrer Interessen im ungarischen Staat. Dieser war am 29 Oktober 1918 in Hermannstadt zusammengetreten und hatte erklärt, „dass das sächsische Volk…. fest und unerschütterlich zum ungarischen Vaterland steht.“ Der bisherige Präsident, Dr. Carl Wolff, trat aus Altersgründen zurück, Dr. Adolf Schullerus, der Stadtpfarrer von Hermannstadt, wurde Präsident und Dr. Hans Otto Roth Sekretär des Zentralausschusses. Am 2. November 1918 rief der neugewählte Präsident die in Hermannstadt anwesenden Mitglieder, sowie die sächsischen Abgeordneten im Budapester Reichstag zusammen und diese elf Personen konstituierten sich als „vorläufiger Deutsch-Sächsischer Vollzugsausschuss zur Vertretung unserer Volksrechte“ und gab sich bald danach die Bezeichnung „Deutsch-sächsischer Nationalrat“. Fast gleichzeitig wurde der „Deutsche Volksrat in Ungarn“ gegründet, der den Anspruch erhob, 2,5 Millionen Deutsche in Ungarn zu vertreten, und dem auch die sächsischen Abgeordneten unter Leitung von Rudolf Brandsch geschlossen beitraten. Dieser Volksrat trat vehement für die „Unversehrtheit des ungarischen Staatsgebietes …“ ein. Der „Deutsch-sächsische Nationalrat“ war nicht bereit, sich dem Volksrat zu unterstellen, befürwortete aber eine enge Kooperation. Auf die verzweifelten Versuche Ende November/Anfang Dezember der Budapester Regierung, die Sachsen auf Ihre Seite zu ziehen, indem sie neue Töne anschlug und großzügige Angebote hinsichtlich des sächsischen Schulwesens machte, reagierten diese bereits zurückhaltend.

Die Anschlusserklärung der Siebenbürger Sachen am 08.01.1919

In der Zwischenzeit war nämlich unter den Sachsen ein Umdenken im Gange. Beispielsweise nahm am 16. November 1918 Hans Otto Roth im „deutsch-sächsischen Vollzugsausschusses“ Bezug darauf, dass sich der rumänische Nationalrat in Arad für Großrumänien entschieden habe, und forderte eine Neuorientierung in der Politik: „Die nationalen Freiheiten, die uns zugesichert werden, werden jedenfalls bedeutend größer sein, als wir sie im Staate Ungarn genossen haben. Wollen wir diese für uns günstige Stimmung ausnützen, so müssen wir darauf dringen, dass unsere Abgeordneten die Richtung ihrer Politik so bald als möglich ändern“. Am 9. Dezember versammelten sich unter dem Vorsitz von Dr. Adolf Frank über 500 in Bukarest wohnende Sachsen im „Transsylvania-Saal“ und sprachen sich für den „Geist des Rechts und der Freiheit“ aus, der aus der Erklärung von Karlsburg spreche und gaben ihre Zustimmung zum Anschluss Siebenbürgens an Rumänien. Da sie sich zu einer solchen Erklärung nicht autorisiert fühlten, beschlossen sie, eine Delegation nach Hermannstadt zum „deutsch-sächsischen Nationalrat“ zu schicken, um „ihren Volks- und Glaubensgenossen in der Heimat den gut gemeinten Rat zu erteilen, ….für die Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien zu stimmen.“ Auch der Regierungsrat drängte energisch auf eine Entscheidung der Sachsen, und so wuchs der Druck auf Adolf Schullerus und den Nationalrat enorm. Nach fieberhaften Diskussionen wurde schließlich entschieden, den durch die Ersatzmitglieder erweiterten Zentralausschuss als sächsische „Nationalversammlung“ nach Mediasch einzuberufen und eine Erklärung der Siebenbürger Sachsen zum Anschluss Siebenbürgens an Rumänien abzugeben. Die Erklärung erfolgte am 08.01.1918 und hat folgenden Wortlaut:

„Die Weltereignisse haben für das Gebiet, auf dem das Volk der Siebenbürger Sachsen vor fast 800 Jahren seine Heimat begründet hat, neue Tatsachen geschaffen, König Ferdinand von Rumänien hat in seinem Dekrete vom 27. Dezember 1918 die Herrschaft über dieses Gebiet ausgesprochen und angetreten. Der zahlreichste Volksstamm Siebenbürgens und der angrenzenden Teile Ungarns aber hat in seiner Karlsburger Nationalversammlung den Anschluß an Rumänien erklärt. Durch die Vereinigung Siebenbürgens und und der von Rumänen bewohnten Teile Ungarns mit Rumänien wird ein Gesamtgebiet geschaffen, dessen Zusammengehörigkeit in den ethnographischen Verhältnissen begründet ist.

Angesichts dieser Tatsachen und in der Überzeugung, daß sich hier ein weltgeschichtlicher Vorgang vollzieht, spricht das sächsische Volk in Siebenbürgen, indem es sich auf den Boden des Selbstbestimmungsrechtes der Völker stellt, seinen Anschluß an das Königreich Rumänien aus und entbietet dem rumänischen Volke seine brüderlichen Grüße und herzlichen Glückwünsche zur Erfüllung seiner nationalen Ideale.

Das sächsische Volk Siebenbürgens trägt damit nicht nur der weltgeschichtlichen Entwicklung Rechnung, sondern auch dem inneren Rechte des rumänischen Volkes auf Vereinigung und Staatenbildung und spricht die zuversichtliche Erwartung aus, daß sich das rumänische Volk und der rumänische Staat, dem das sächsische Volk seine altererbte Tüchtigkeit zur Verfügung stellt, ihm gegenüber immer durch vornehme und gerechte Gesinnung leiten lassen wird. Das sächsische Volk, das Jahrhunderte hindurch eine verfassungsmäßige Selbstverwaltung besaß, die ihm entgegen feierlicher und gesetzlicher Zusicherung widerrechtlich entzogen wurde, erwartet ferner, daß es ihm niemals unmöglich gemacht werde, sich als eine ihres Volkstums bewußte nationale und politische Einheit in aller Zukunft zu behaupten und zu entwickeln, in der Voraussetzung, dass der neue Staat ihm alles gerne bieten und geben wird, was es als seine Lebensbedingung ansieht.

Eine Gewähr hierfür sieht es in den Karlsburger Beschlüssen der rumänischen Nationalversammlung, in denen ausgesprochen ist, daß jedes Volks sich in seiner eigenen Sprache und durch seine Söhne leiten, unterrichten, verwalten, rechtsprechen und in Gesetzgebung und Regierung die entsprechende Vertretung erhalten soll, die für Kirche und Schule Autonomie gewährleisten und überhaupt eine gerechte und wohlwollende Berücksichtigung aller freiheitlichen, nationalen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der Völker und damit auch unseres Volkes verbürgen.

Das sächsische Volk stimmt ferner dem Beschlusse der Karlsburger Nationalversammlung zu, wonach auf dem Friedenskongreß die Gerechtigkeit und die Freiheit für die großen und kleinen Nationen gleichmäßig gesichert werden sollen, und sieht darin eine dauernde Bürgschaft für den Frieden der Völker.

Es hofft und wünscht, daß auch die übrigen deutschen Volksgenossen im neuen Staate seinem Vorgehenn sichanschließen werden, und spricht die Erwartung aus, daß die Rechte, die ihm gebühren, auch den übrigen Deutschen zuerkannt werden und daß die völkische und politische Zusammengehörigkeit aller Deutschen in dem neuen Staate anerkannt wird!

Im vollen Bewußtsein der Bedeutung seines Entschlusses, betrachtet sich das sächsische Volk von heute an als ein Glied des rumänischen Reiches, seine Söhne und Töchter als Bürger dieses Staates. Es bittet Gott, daß er den verantwortungsvollen Schritt, den es zu tun sich verpflichtet fühlte, zum Guten lenke und mit seinem Segen begleite.“

Die Erklärung wurde wohlwollend vom König und der Bukarester Regierung entgegengenommen. Den Text hatte der sächsische Abgeordnete im ungarischen Reichstag und zeitweiliger Schriftleiter des Siebenbürgisch Deutschen Tageblattes Dr. Rudolf Schuller verfasst, der in vielerlei Hinsicht im Gegensatz zu Rudolf Brandsch stand. Sicher hat diese Erklärung nicht den Ausschlag für den Anschluss Siebenbürgens gegeben, aber die rumänischen Politiker legten großen Wert auf den Standpunkt der Sachsen, und diese waren auch der Meinung, sich positionieren zu müssen, um ihre Erwartungen an den neuen Staat deutlich zu machen. Auch die Broschüre „Cine sint si ce vor sasii din Ardeal? (Wer sind und was wollen die Sachsen aus Siebenbürgen?)“ wurde wohlwollend entgegengenommen. Paul Philippi schreibt in einem Nachwort zur zweisprachigen Neuauflage der Broschüre im Jahre 1968, also zum 50sten Jahrestag der Anschlusserklärung der Siebenbürger Sachsen: „…Sie war an die große Mehrheit der Bewohner des neuen Staatsverbandes gerichtet, in den Siebenbürgen 1919 gerade eingetreten war. Es war gewissermaßen ein Akt der Vorstellung: Die Siebenbürger Sachsen machten sich ihren neuen Mitbürgern jenseits der Karpaten bekannt, und sie taten es, guter Sitte entsprechend, nicht nur durch sich selbst; sie ließen sich von einem hervorragenden Mitglied der Gesellschaft in den Kreis derer einführen, zu denen sie von nun an gehören wollten: Kein geringerer als Nicolae Iorga hat dies Amt des Eingrüßens übernommen und zu seinem eigenen Anliegen gemacht. Er wird sich dessen bewusst gewesen sein, damit eine Mission zu erfüllen, die ihm als Historiker und Patrioten unverwechselbar zugewachsen war….“ Es handelte sich beim Text um eine Selbstdarsrellung der Sachsen unter verschiedenen Aspekten:

  1. Wer sind die Sachsen und wo wohnen sie?
  2. Aus der Vergangenheit der Siebenbürger Sachsen
  3. Die soziale Lage der Sachsen
  4. Die sächsischen Landwirtschaft
  5. Handwerk, Industrie, Handel und Bamkwesen bei den Sachsen
  6. Schule und Kirche bei den Sachsen
  7. Das geistige Leben bei den Sachsen
  8. Die Organisation der Sachsen
  9. Der nationale Charakter der Sachsen
  10. Was erwarten die Sachsen von ihrem neuen Vaterland?

Eine solche Darstellung war sicher sehr hilfreich, denn man konnte nicht davon ausgehen, dass die Rumänen im Altreich, also in der Moldau und in der Walachei, viel Kenntnis über die Siebenbürger Sachsen hatten. Man hat jahrzehntelang gerätselt, wer der Autor des Textes war, Iorga hatte ja nur das Vorwort geschrieben. Der Historiker Vasile Ciobanu hat erst 1991 herausgefunden, dass es sich um den sächsischen Journalisten und Reichstagsabgeordneten Emil Neugeboren handelt.

Schluss

Im Jahre 1919 schickten sich die Sachsen nun an, alle Vorbereitungen zur Mitwirkung im neuen Staate zu treffen. Nach vielen Debatten wurde zum 6. November 1919 ein großer Sachsentag nach Schäßburg einberufen, der die Anschlusserklärung vom 8. Januar 1919 billigte und das „Sächsische Volksprogramm“, das als Basis der sächsischen politischen Mitwirkung im neuen Staate dienen sollte, verabschiedete. Dieses Volksprogramm bestand auf die Erfüllung der Karlsburger Beschlüsse und ergänzte diese durch konkrete inhaltliche und organisatorische Programmpunkte. Die Führungsrolle fiel nicht zuletzt wegen seiner hervorragenden Vernetzung mit führenden rumänischen Politikern dem ehemaligen ungarischen Abgeordneten Rudolf Brandsch zu, der in der Folge auch eine große Rolle auf nationaler und internationaler Ebene im Kampf um die Minderheitenrechte spielen sollte. Im November rückten dann auch die sächsischen Abgeordneten in das rumänische Abgeordnetenhaus und in den Senat ein, voller Hoffnung, dass jetzt eine befriedigende neue Ära anbrechen würde. Umso größer war die Enttäuschung, als sie feststellen mussten, das das rumänische Parlament und die Regierung gar nicht daran dachten, die Versprechungen der Karlsburger Nationalversammlung einzuhalten. Es wurden lediglich kleinere und halbherzige Zugständnisse gemacht, und selbst die wurden in der Folgezeit nicht immer eingehalten. Die Agrarreform von 1920, die die Sachsen und vor allem die für das sächsische Schulwesen verantwortliche evangelische Kirche empfindlich schädigte, tat ein Übriges, um bei den Sachsen eine große Unzufriedenheit hervorzurufen. Insofern ist es auch folgerichtig, dass die sächsischen Abgeordneten die neue Verfassung vom März 1923, die erheblich vom Inhalt der Karlsburger Beschlüsse abwich, ablehnten. Der Geist der Dambovita wehte nun kräftig auch über Siebenbürgen. Und das tut er bis zum heutigen Tage! Es blieb aber den Sachsen nichts anderes übrig, als sich mit der neuen Lage abzufinden, nicht zu resignieren und sich mit den Verhältnissen irgendwie zu arrangieren, wie so oft in ihrer vielhundertjährigen Geschichte. Die folgenreichen späteren Verwerfungen der 30er und 40er Jahre, deren eine der Wurzeln auch darin gelegen haben mag, konnte damals noch niemand vorausahnen. Heute haben sich die Siebenbürger Sachsen mit dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien vollends ausgesöhnt und wirken am Staate konstruktiv mit. Die Tatsache, dass einer von Ihnen es sogar zum Staatspräsidenten gebracht hat, ist ein schlagender Beweis dafür.