In dieser Rede habe ich auf die Stärken und Erfolge aber insbesondere auch auf die Schwachstellen der stark geschrumpften deutschen Gemeinschaft in Rumänien hingewiesen und zu Maßnahmen zur Vitalisierung der deutschen Gemeinschaft aufgerufen und Möglichkeiten dazu aufgezeigt. Sie hat in Siebenbürgen und in der sächsischen Gemeinschaft in Deutschland und Österreich große Wellen geschlagen. Ich habe über hundert Mails, Anrufe und Briefe erhalten. Die meisten Rückmeldungen waren zustimmend bis begeistert. Jedoch gab es auch eine Fülle von kritischen bis sehr kritischen Äußerungen, ja selbst Beschimpfungen sind nicht ausgeblieben.
Lebendige Gemeinschaft
1. Das Thema hat mir bei der Vorbereitung erhebliche Probleme bereitet, da ich mir über meinen Auftrag nicht ganz im Klaren war. Worum handelt es sich, wenn heute von „Lebendiger Gemeinschaft“ die Rede sein soll? Wird von der These ausgegangen, daß es in Siebenbürgen trotz der gewaltigen Umwälzungen der letzten 19 Jahre immer noch eine lebendige sächsische Gemeinschaft gibt, die es nun in ihrer Erscheinungsform zu beschreiben gilt? Oder setzt man ein deutliches Fragezeichen dahinter in der Erkenntnis, daß die Lebendigkeit unserer Gemeinschaft viel zu wünschen übrig läßt? Oder setzt man ein mahnendes Ausrufezeichen dahinter mit der Absicht, zur Revitalisierung unserer Gemeinschaft, die einzuschlummern droht, aufzurufen? Welcher dieser drei Sichtweisen wollen wir den Vorzug geben? Wie wir nun sicher alle wissen, ist die menschliche Wahrnehmung subjektiv und nicht selten selektiv. Auch die Kriterien und Merkmale, die wir mit einer lebendigen Gemeinschaft in Verbindung bringen und die Mindestanforderungen, die wir an sie stellen, sind subjektiv und nicht einheitlich definiert. Übt man sich in Genügsamkeit und beschränkt sich in seinen Erwartungen auf Weniges, dann ist die Lagebeschreibung einer lebendigen Gemeinschaft gerechtfertigt. Stellt man jedoch höhere Ansprüche, fällt das Urteil sehr viel kritischer aus. Daher ist es nicht verwunderlich, daß die Zustandsbeschreibung unserer Gemeinschaft sehr unterschiedlich ausfällt und alle drei o.g. Varianten artikuliert werden. Man hört sehr wohl Stimmen, die sehr gut funktionierende Forumsstruktur sei ein Beleg für eine lebendige Gemeinschaft. Die Forumsgliederungen sind in der Tat gut geführt und arbeiten auch effektiv, wie auch unserer Abgeordneter uns hervorragend vertritt. Eine funktionierende Organisation ist jedoch noch keineswegs ein Garant für ein dynamisches und facettenreiches Gemeinschaftsleben und genau dieses wird von nicht wenigen vermißt. Jeder definiert also seine Erwartungen an das Gemeinschaftsleben für sich und partizipiert daran oder auch nicht. Ich möchte nun im Folgenden einige Gedanken zu diesen Aspekten formulieren und eine persönliche Beurteilung abgeben.
2. „Was seid Ihr Sachsen doch für prächtige Kerle! Respekt! Respekt! Was Ihr da in Hermannstadt erreicht habt, verdient Bewunderung. Wir dachten, es gibt Euch gar nicht mehr, und nun so was! Alle Hochachtung!“ Dieses sagte mir neulich ein österreichischer Studienfreund, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Natürlich habe ich mich darüber gefreut. Und natürlich können und sollen wir alle uns freuen, daß Persönlichkeiten aus unseren Reihen so viel Anerkennung erfahren haben. Und daß da eine gehörige Portion Tüchtigkeit dahinter steckt, steht außer Frage. Läßt jedoch dieser großartige Erfolg den Schluß zu, daß unsere Gemeinschaft insgesamt intakt, dynamisch und wirkungsvoll ist? Ich habe erhebliche Zweifel und möchte daher ein paar Fragezeichen setzen. Zu einer lebensfähigen ethnischen Gemeinschaft gehören klar erkennbare Konturen in Sitten, Gebräuchen, ethischen Normen und vor allem eine selbstbewußte Identität. Darüber hinaus zeichnet sich eine vitale Gemeinschaft dadurch aus, daß sie regional fest verwurzelt ist und aus allen Generationen besteht, also aus Jung und Alt, sowie insbesondere eine leistungsstarke mittlere Generation aufweist. Unserer sächsischen Gemeinschaft fehlen jedoch in hohem Maße gerade die Leistungsträger und der Nachwuchs. Ein Zyniker sagte mir neulich: „Ihr seid eine amputierte und verstümmelte Gemeinschaft. Euch sind die beweglichen Glieder abgeschnitten worden“. Ein hartes Wort! Leider trifft es aber die Wahrheit. Unsere Mitglieder, die im übrigen in der Regel ihre überwiegende Verwandtschaft in Deutschland haben und häufig pendeln, haben in der Tat ein sehr hohes Durchschnittsalter und es wird noch steigen. Ist es angesichts dieses Umstands verwunderlich, daß für die Gestaltung des Gemeinschaftslebens, wie immer man es zu gestalten versucht, hier vor Ort kaum Amtsträger, Mitarbeiter oder aktive Helfer zu gewinnen sind? Die Arbeit wird in aller Regel von wenigen Personen geleistet, die wegen Überlastung häufig überfordert sind. Hinzu kommt, daß sie sich die Gemeinschaft zunehmend auf die Städte beschränkt. In sehr vielen Landgemeinden ist das sächsische Element beinahe oder völlig erloschen. Das ist ein sehr herber Verlust, denn gerade dort hat, wie wir alle wissen und erlebt haben, in der Vergangenheit ein sehr aktives Gemeinschaftsleben stattgefunden. Das Plakat, das uns zu diesem heutigen Sachsentreffen einlädt, spiegelt, mit Verlaub, ein euphemistisches Bild wider, denn die heutige Realität spricht leider eine ganz andere Sprache. Wo erleben wir noch einen geschlossenen Gottesdienstbesuch oder Feierlichkeiten in altsächsischer Tracht und altsächsischer Gesellungsform? Über diese Tatsache können auch die mit erstaunlich hoher Teilnehmerzahl aus Deutschland und aller Welt stattfindenden Heimattreffen in vereinzelten Ortschaften nicht hinwegtäuschen. So eindrucksvoll und bewegend sie auch sein mögen, so sind sie doch, und das sage ich provokativ, Nostalgietreffen unserer ausgewanderten Landsleute und legen für ein paar Tage einen schönen Schleier über den grauen Alltag, was wir allerdings gerne mit genießen. Nach ihrer Abreise ist jedoch alles wieder beim Alten. Ich selbst als eine Art Rückwanderer hatte gehofft, daß nach all den erfreulichen Veränderungen in Europa und in unserem Land eine große Anzahl unserer ausgewanderten Landsleute auf Zeit oder auf Dauer zurückkehren und ihre Kompetenzen aktiv unserer Gemeinschaft zur Verfügung stellen und zwar nicht nur indem sie gute Ratschläge erteilen, sondern indem sie sich bereit erklären, auch Funktionen zu übernehmen und Verantwortung zu tragen. Wir haben den großen Vorteil, mit beiden Milieus vertraut zu sein und entsprechend unserem Wirken größtmögliche Stoßkraft zu verleihen. Leider ist eine solche Rückwanderung in erstaunlich geringen Maße geschehen. Noch erstaunlicher ist, daß viele unserer ausgewanderten Landsleute, die den Sommer in ihren wieder instandgesetzten Häusern in ihren Heimatortschaften verbringen oder für längere Zeit zu Besuch kommen, ein Eigenleben führen, auf Distanz gehen und sich kaum aktiv am örtlichen Gemeinschaftsleben beteiligen. Ein Schäßburger Freund sagt mir neulich: „Die fremdeln alle, es sind keine Sachsen mehr, sie sind zu Deutschen geworden.“ Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Gelegentliche Kommentare über die Unzulänglichkeiten unserer Arbeit und gar Fragen wie z.B. „Meinst Du nicht, daß ja doch alles vergebliche Liebesmühe ist, denn es geht ja eh bald alles zu Ende. Warum tut Ihr euch das noch an?“, sind jedoch mehr als ärgerlich.
Ein weiteres Phänomen erfordert ein Fragezeichen, das sich allerdings nicht auf unsere sächsische Gemeinschaft beschränkt, sondern eine gesamteuropäische Erscheinung ist und in den letzten Jahren überraschend schnell evident geworden ist. Die gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüche, der unübersehbare Paradigmenwechsel, die Folgeerscheinungen der Globalisierung und wohl auch der rasante Siegeszug der modernen Kommunikationssysteme haben geselliges Verhalten völlig verändert. Große Teile der jüngeren und mittleren Generation kommunizieren per E-Mail und SMS miteinander, unterhalten sich in Chat-Rooms. Es entwickeln sich völlig neue Formen der Gesellung. Der Soziologe Ullrich Beck konstatiert eine rasante Enttraditionalisierung der Gesellschaft mit verheerenden Folgen für das gerade in Deutschland bisher stets hochgehaltene Vereinsleben. Es fehlt allenthalben an aktivem Nachwuchs. Der Ratspräsident der EKD Huber sprach kürzlich hinsichtlich des kirchlichen Bereichs von einem signifikanten Traditionsabbruch, was natürlich das Gemeindeleben vor große Herausforderungen stellt. Vereinzelung der Menschen, diffuse Orientierungslosigkeit, Unverbindlichkeit, Beliebigkeit, Wertevakuum, Unverläßlichkeit, Gefühl der Heimatlosigkeit sind Schlagworte, die immer häufiger in der soziologischen Literatur diskutiert werden. Schon längst ist die Rede von der permissiven Gesellschaft. Sollten diese Erscheinungen, sofern sie zutreffen, angesichts der Globalisierung und der völlig offenen Grenzen ausgerechnet vor Siebenbürgen halt machen? Wohl kaum! Und welche Konsequenzen werden sie für unser ohnehin sehr geschwächtes sächsische Gemeinschaftsleben haben? Wir wissen es nicht. Noch nicht.
3. Es ließen sich sicher noch mehr Fragezeichen setzen, die um den Weiterbestand unseres Gemeinschaftslebens fürchten lassen. Als notorischer Optimist weigere ich mich jedoch, vor lauter Fragezeichen in Resignation zu verfallen und abzuwarten, bis die Propagandisten des finis saxoniae recht bekommen. Schwierigkeiten und Gefahren sind dazu da, damit sie aus dem Weg geräumt werden, das hat die Jahrhunderte lange sächsische Geschichte bewiesen. Dies kann man jedoch nur leisten, wenn man sich der Realität stellt und dann nach Lösungen sucht. Deshalb möchte ich nun zu den Ausrufezeichen übergehen. Die Geschichte lehrt uns, daß es keinen Stillstand gibt. Das sächsische Gemeinschaftsleben, wie wir es gekannt oder es uns haben erzählen lassen, wird es nicht mehr geben. Alles vergeht, wenn sich die Lebensumstände ändern, aber es entsteht immer wieder etwas Neues und dieses Neue können wir beeinflussen, wenn wir die Realitäten akzeptieren und das Unsere zur Weiterentwicklung beitragen. Wir haben die Möglichkeit dazu, sofern wir nicht nur in die „verlorene“ Vergangenheit schauen und sie immer wieder heraufbeschwören, sondern uns bereit halten, die Zukunft zu gestalten. Die Vergangenheit ist immer verloren, die Zukunft können wir prägen. Wir müssen es nur wollen. Die sensationellen Wahlerfolge sind ein beredtes Beispiel dafür, was man alles erreichen kann, wenn man etwas will und entschlossen und energisch sein Ziel verfolgt. Allerdings muß man sich im Klaren sein, was man überhaupt will und muß das Ziel genau definieren. Wir müssen also schnellstens einen Konsens herstellen, welche Form des sächsischen Gemeinschaftslebens wir unter den neuen Bedingungen anstreben, um die geeigneten Maßnahmen ergreifen zu können. Wollen wir das traditionelle sächsische Gemeinschaftsleben revitalisieren, von der nur noch Spuren vorhanden sind? Oder wollen wir unter Einbeziehung dieser Spuren und Nutzung aller, auch neuer Ressourcen etwas Neues, den eingetretenen Realitäten Angemessenes zu Wege bringen. M. E. muß jetzt gehandelt werden, denn wir haben zu lange die Entwicklung auf uns zukommen lassen. Wir haben nicht mehr viel Zeit, denn wir werden gemeinsam immer älter und junge Mitglieder wachsen kaum heran. Wir haben aber immer noch eine Menge bisher noch ungenutzter Ressourcen, die es dringend zu mobilisieren gilt. Unsere evangelische Kirche, die dank unseres Herrn Bischof national und international ein außerordentlich hohes Ansehen genießt, ist zwar in hohem Maße eine Diasporakirche geworden, aber es gibt noch kräftige Kirchengemeinden. Warum sollen wir die Bande zwischen Kirchengemeinden und den Foren nicht noch enger knüpfen, als es bisher geschieht? Wir haben doch viele gemeinsame Schnittstellen und Anliegen. Warum bauen wir die jetzt schon vorhandenen Personalunionen in den Gremien nicht noch stärker aus? Und warum vernetzten wir die Veranstaltungen nicht stärker, was im übrigen gute sächsische Tradition ist.? Eines der Meisterstücke unserer Vorfahren war das einzigartige und hochrenommierte Schulwesen. Die Schulen funktionieren Gott sei Dank nach wie vor, wenngleich an ihnen viel nachgebessert werden müßte, wenn ihr traditionelles hohe Niveau nicht sinken soll, was, Gott sei´s geklagt, in Teilen leider schon geschehen ist. Sie, und nur sie allein sind unser Nachwuchsreservoir. Unsere Jugendforen könnten ohne sie gar nicht existieren. Wir verlieren jedoch diese vielen in deutscher Sprache erzogenen jungen Menschen nach dem Abitur, weil sie in der Regel anderen Ethnien angehören und sie in den Foren keine Vollmitglieder oder Amtsträger werden können. Wie können wir sie auch nach dem Schulabschluß an uns binden? Hier ist Phantasie gefragt. Alle Foren haben in ihren Reihen auch eine große Zahl sogenannter Sympathisanten, Angehörige anderer Ethnien, die uns sehr wohlgesonnen sind und sich der deutschen Kultur verpflichtet fühlen, die aber auch keine Vollmitglieder werden können und daher einen gewisse Distanz wahren. Selbst nichtdeutsche Ehepartner, deren Zahl noch steigen wird, können allenfalls Sympathisanten werden. Dies gilt ebenso für die vielen deutschsprachigen Staatsbürger anderer Länder, die sich aus den verschiedensten Gründen hier niedergelassen haben. Auch sie sympathisieren zwar mit uns, empfinden sich aber in der Regel als Außenstehende und können ebenfalls nicht Mitglieder in unseren Foren werden. Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir hier Abhilfe schaffen können. Es ist höchste Zeit, daß wir uns für alle diese Personengruppen stärker öffnen, denn wir können nur gewinnen. Wir müssen m.E. ehestens eine Satzungsdiskussion eröffnen, so heikel sie auch sein mag. Wir sind dankbar, daß uns der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und die Landsmannschaften in Österreich und in Übersee mit ihren Möglichkeiten unterstützen, wir müssen aber auch Wege finden, wie wir unsere ausgewanderten Landsleute, und zwar so viele wie möglich, wieder stärker in unsere tägliche Arbeit hier vor Ort integrieren können. Zudem erfahren wir europaweit, natürlich insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz große Solidarität und nicht zuletzt eine beachtliche materielle Unterstützung, Auch dafür sind wir natürlich dankbar. Erfüllen wir aber die dort gehegten Erwartungen, daß wir unermüdlich unsere deutsche Gemeinschaft, weit weg vom deutschen Sprachraum, mit allen unseren Kräften gefestigt in die Zukunft führen? Ich fürchte, wir haben sehr lange zugewartet und zu wenig vorausschauend gehandelt. Wenn wir jetzt nicht handeln, wo noch genügend Substanz vorhanden ist, werden wir eines Tages als deutsche Gemeinschaft in der Geschichte versunken sein und unser beachtliches kulturelle Erbe mit uns. Ich bin sicher, daß will niemand von uns. Lassen Sie uns die Ärmel wieder hochkrempeln und an die Arbeit gehen. Das sind wir unserer Geschichte und uns selbst schuldig. Das sächsische Volk hat viele schwere Zeiten durchlebt und sie letztendlich immer gemeistert. Auch jetzt haben wir große Chancen, wenn wir es wollen. In der Kleinen Sachsengeschichte von Friedrich Teutsch habe ich eine interessante Passage gefunden, die heute so sicher nicht mehr geschrieben würde und zu der sehr viel kritisches gesagt werden könnte, die aber doch sehr nachdenklich stimmt: „Auch ein anderes erscheint dem Rückschauenden heute von Bedeutung: jene Jahre (1780 bis 1830) hatten das Bewußtsein der politischen Zusammengehörigkeit der sächsischen Nation und ebenso den Gedanken der kirchlichen Einheit fast verloren gehen lassen und das nationale Bewußtsein war gleichfalls eingeschlafen. Vom alten Recht aber war kaum noch die Rede. Dagegen bleibt den stillen Jahren eins: in ihnen wuchsen die Männer heran, die dem Volk die neue Zeit und damit die Zukunft brachten. In Schäßburg wurde 1810 J.A. Zimmermann geboren, im selben Jahr in Agnetheln Kon. Schmidt, 1814 C. Goos und 1817 G.D.Teutsch in Schäßburg, 1823 Jak Rannicher in Hermannstadt, 1820 Jos. Gull, 1828 Fr. Müller in Schäßburg. Aller Leben ist angefüllt mit dem Kampf für das Recht und mit der Arbeit, dem sächsischen Volk neuen Lebensinhalt zu geben….Es begann eine umfassende Innenarbeit zur Erziehung des Volkes, die so tief war, daß ein Teil auch des heutigen sächsischen Lebens auf dem Grunde ruht, den sie damals legten….Die gebundenen Kräfte des Volkes sollten freigemacht werden, für jede willige Kraft sollte die rechte Stelle zur Mitarbeit gefunden werden……..den führenden Männern war klar, daß die dauernde Stärkung der geistig-sittlichen Kräfte das erste und das höchste Ziel und zugleich die Grundlage des Volkes sei. Und für dieses traten die Besten ein. Es hat keine hoffnungsreichere, keine zuversichtlichere Zeit gegeben als diese, wo es wie im Frühling allenthalben grünte und sproßte und neues Leben entstand: ….Auferwacht – ist mein Volk aus langer Nacht, das war die Morgenstimmung des aufsteigenden Tages……..Daß Vereinigung stark macht, hatte draußen die größere Welt gezeigt; sie griffen auch hier zur Vereinigung, Es ist die Zeit die der Vereinsgründungen gewesen, viele der sächsischen Volksvereinigungen gehen in diese Jahre zurück……….In den Geschicken der Völker mischt gar seltsam Schuld und Schicksal, Menschenwitz vermag gar selten auseinander zu halten. Aber wenn die Geschichte gerecht urteilen wird, dann kann sie von dem lebenden Geschlecht nur sagen, das es das ererbte Volksgut unter den schwierigsten Verhältnissen nicht nur bewahrt, sonder vielfach gemehrt hat, daß es für jene Güter nicht nur Opfer gebracht, sondern die Nachkommen zur Pflicht erzogen hat, das gleich zu tun. Der Inhalt der sächsischen Geschichte ist zu allen Zeiten gewesen: Allen Gewalten – zum Trotz erhalten, und so wie es bisher war, soll es auch in Zukunft sein.“ Soweit Friedrich Teutsch in der Sprache des damaligen Zeitgeistes.
4. Wenn man sich entschließt, seine Phantasie und Tatkraft für einen Neuanfang, und der ist dringend geboten, und eine Weiterentwicklung Siebenbürgens einzusetzen, dann ist man gut beraten, die Realitäten vorurteilsfrei zu akzeptieren. Nur so erkennt man die Chancen und kann seine Energie sinnvoll einsetzen. Eine Revitalisierung der traditionellen sächsischen Gemeinschaft ist nicht mehr möglich. Ich bin sogar der Meinung, sie ist in vielen Facetten auch gar nicht mehr wünschenswert. Sie war in einem bestimmten gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Milieu entstanden, in dem sie ihren angemessenen Platz hatte. Sie hat funktioniert und hervorragende Leistungen hervorgebracht. Heute leben wir in einem komplett anderen Milieu und jeder Versuch, sie zu restaurieren wäre anachronistisch. Was wir aber leisten können, ist, auf den Fundamenten der ehemaligen sächsischen Gemeinschaft und unter Bewahrung noch zeitgemäßer Elemente eine der heutigen Zeit angemessene deutsche Gemeinschaft zu organisieren und mit Leben zu erfüllen. Ich plädiere dringend für die möglichst sofortige Eröffnung einer Debatte, in der wir eine Diagnose unserer gegenwärtigen Gemeinschaft vornehmen und auf der Grundlage des Befundes die konkreten Kriterien einer Neuformierung unserer Gemeinschaft formulieren. Wir werden sicher die Kraft aufbringen müssen, uns von Vertrautem zu trennen und neue Zielvorstellungen zu akzeptieren. Eine deutsche Kultur- und Sprachgemeinschaft hat durchaus beste Chancen, wenn wir alle Ressourcen nutzen. Dazu ist jedoch Tatkraft und Hartnäckigkeit von Nöten. Fast alles ist möglich, wenn man entschlossen sein Ziel verfolgt. Lassen Sie uns an die Arbeit gehen, damit wir uns noch recht häufig hier in Birthälm treffen können!
Dr. Karl Scheerer
Birthälm 20.09.2008