Ehrenbürger der Stadt Schäßburg

Es hast mich mit Stolz und Genugtuung erfüllt, dass mir am 02.08.2018 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Schäßburg verliehen wurde. Der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg, Herr Stefan Gorczyka, hat folgende Laudatio gehalten:

Laudatio zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Schäßburg an
Karl Scheerer

„Wer seine Heimat vergisst, verliert seinen festen Halt und am Ende seine Identität. Die Heimat muß aber stetig neu erworben und gestaltet werden“. Diese Überzeugung hat Karl Scheerer sein ganzes Leben lang begleitet und sein Handeln bestimmt.

Er hatte eine turbulente Kindheit und Jugend hier in Siebenbürgen und gelangte nach einigem Hin und Her im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland, wo er seinen Schulabschluss machte, studierte, eine Familie gründete und eine erfolgreiche Berufslaufbahn einschlug. Wie er mir einmal sagte, hatte er trotz einer schwierigen Kindheit hier in Siebenbürgen und seiner Erfolge in Deutschland immer starkes Heimweh gehabt und hat die Verbindung zu seiner Heimat immer aufrecht erhalten und gepflegt. So war es auch folgerichtig, dass er sofort nach Eintritt in den Ruhestand zusammen mit seiner Frau, einer gebürtigen Bayerin, hierher zog und seine ehrenamtliche Tätigkeit im Dienste seiner Heimat aufnahm, für die er heute geehrt wird.

Durch viele Gespräche mit ihm weiß ich, dass seine große Leidenschaft neben seinem historischen Interesse die Literatur ist. Es sind dies u. a. die mittelalterliche deutsche Klassik, die Literatur des 19. Jahrhundert und die Literatur der Postmoderne. Auch die rumänische Geschichte und Literatur sind ihm sehr vertraut. Er hat nicht nur sein Dissertationsthema aus der rumänischen Geschichte gewählt, sondern auch darüber hinaus viele Vorträge in Deutschland und Österreich zur rumänischen Geschichte gehalten. Zur Zeit beschäftigt er sich mit der Übersetzung ins Deutsche von ausgewählten Prosatexten von Mihai Eminescu, mit dessen Werk er sich viel auseinandergesetzt hat.

Karl Scheerer wurde am 27.08.1943 als drittes Kind des evangelischen Pfarrers Josef Scheerer aus Großau (Christian) und seiner Ehefrau Herta, geborene Ungar, aus Nadesch (Nades) in Botsch (Batos) geboren. Botsch (Batos) gehörte zum damaligen Zeitpunkt zu Ungarn, wohingegen sämtliche Verwandte im rumänischen Teil Siebenbürgens wohnten. Der Vater wurde noch vor der Geburt von Karl von der damaligen Volksgruppenführung in die deutschen Militärverbände gepresst und galt sehr rasch als gefallen. Die Mutter floh mit ihren drei Kindern nach dem 23. August 1944 wie fast alle Siebenbürger Sachsen aus Nordsiebenbürgen auf Befehl der Volksgruppenführung in Richtung Westen und die Familie entging nur knapp dem Bombardement von Dresden. Auf Befehl der sowjetischen Truppen wurde sie gewaltsam wieder zurücktransportiert und fand schließlich Unterschlupf auf dem großväterlichen Hof in Nadesch (Nades), wo dann Karl seine deutsche Schulausbildung genoss, die er für einige Zeit auf der Bergschule fortsetzte. Als sich herausstellte, dass der Vater doch nicht gefallen war, er hatte sich nach der amerikanischen Gefangenschaft zunächst in Österreich und später in Deutschland niedergelassen, begann für die Familie Scheerer erneut eine sehr schwierige Zeit. Nach großen Schikanen, Verhaftung der Mutter, völliger Mittellosigkeit und erst nach massiven Interventionen von außen, der Vater hatte dank seiner herausragenden Position hervorragende Beziehungen in Deutschland, Amerika und vor allem zum Friedensnobelpreisträger Albert Schweizer, gelang die Ausreise im Rahmen der Familienzusammenführung. Problemlos absolvierte dann Karl Scheerer ein neusprachliches Gymnasium in Mainz, studierte in Mainz, Innsbruck und Wien Geschichte, Germanistik und Politologie. 1969 führte ihn ein mehrmonatiger Forschungsaufenthalt nach Bukarest und Iasi, wo er sich für seine Dissertation zum Thema: „Die rumänischen Bauernaufstände von 1907 (Marea rascoala din 1907“ dokumentierte. Nach der Promotion war Karl Scheerer eine Zeit lang Dozent für osteuropäische Geschichte an der Universität Mainz, dann Leiter eines Studienzentrums der Carl Duisberg Gesellschaft zunächst in Dortmund, wo auch sein Sohn Peter geboren ist, und dann in Essen. 1975 wurde er zum Gründungsdirektor der Fortbildungsakademie Sambachshof berufen. Er baute die Akademie auf und leitete sie bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2002. Ab 1991 hat er sehr erfolgreich auch Lehrkräfte, Studenten und Schüler, nicht zuletzt auch aus Schäßburg, in hoher Anzahl an dem Fortbildungsprogramm des Sambachshofes teilhaben lassen.

Ab 2002 begann dann seine Tätigkeit hier in Schäßburg und in ganz Siebenbürgen, die von seiner Frau Annemarie, mit der er seit 1971 verheiratet ist, tatkräftig unterstützt wurde. Die dafür benötigten hohen Summen konnte er dank seiner hervorragenden Verbindung zu Institutionen, Stiftungen (vor allem der Hermann Niermann Stiftung in Düsseldorf) spendenfreudigen Firmen und Behörden in Deutschland, Österreich und Südtirol sicherstellen. Hier einige Beispiele:

Aktivitäten in Siebenbürgen

Sicherung von ca. 15 Kirchenburgen mit eingeworbenen Spenden
Sanierung und Ausstattung mehrerer Kultureinrichtungen in Hermannstadt, Kronstadt u.a. mit eingeworbenen Mitteln
Organisierung und Durchführung in Eigenregie von über 50 Fortbildungslehrgängen für Lehrer und Schüler an den deutschsprachigen Schulen (speziell auch für Schäßburg) mit eingeworbenen Mitteln

Aktivitäten in Schäßburg

Generalsanierung und komplette Neuausstattung sämtlicher Gebäude des Joseph Haltrich Lyzeums in Eigenregie (von der Planung, Bauvergaben, Baukontrolle, Dekontierung bis zur Schlüsselübergabe) mit Mitteln der Hermann Niermann Stiftung
Mittelbeschaffung (Italien, Österreich, Deutschland) für die Generalsanierung und Neueindeckung des evangelischen Kindergartens
Beschaffung der Inneneinrichtung und der Spielgeräte im evangelischen Kindergarten in Eigenregie
Teilmittelbeschaffung für den Bau der Fundatia Gaudeamus
Übersetzung und Herausgabe der Schäßburg-Monographie von Gh. Baltag und anderer Publikationen mit Bezug zu Schäßburg
Vermittlung von Spenden an verschiedene kulturelle Einrichtungen in Schäßburg
ständige Beratung der Leitung des Joseph Haltrich Lyzeums Hilfestellung und Fundraising bei auftauchenden Problemen

Karl Scheerer implizierte sich auch in den Gremien des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien auf allen Ebenen, wo wir ihn als engagierten Mitstreiter, Gestalter und guten Redner kennen. Letzteres hat er nicht zuletzt bei den deutschen Kulturtagen in Schäßburg immer wieder unter Beweis gestellt.

Für mich als Vorsitzendem des Demokratischen Forums der Deutschen in Schäßburg ist es eine große Genugtuung, dass der Stadtrat unserem Ansuchen auf Erteilung der Ehrenbürgerschaft von Schäßburg an unseren Freund Karl Scheerer entsprochen hat, und dafür danken wir ihm und Ihnen, Herr Bürgermeister, ganz herzlich. Karl Scheerer und seine Frau Annemarie haben sich um die Stadt Schäßburg verdient gemacht.

Schließen möchte ich mit einem Wort des neuen Ehrenbürgers: „Wir haben nur eine Heimat, und die müssen wir hegen und pflegen. Das sind wir unseren Vorfahren und Nachkommen schuldig“.

Dankesworte anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft von
Schäßburg

Es ist mir eine große Ehre, daß mir die Ehrenbürgerschaft der Stadt Schäßburg verliehen worden ist. Dafür danke ich Ihnen, Herr Bürgermeister, und dem Stadtrat ganz herzlich. Ich danke auch dem Vorsitzenden des DFDS, Herrn Stefan Gorczyka, ganz herzlich für seine freundlichen und anerkennenden Worte.

Als ich Schüler der Bergschule war, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages Ehrenbürger dieser wunderbaren Stadt werden würde. Auch als ich mich entschloss, nach meiner Pensionierung hierher zurückzukehren und ehrenamtlich zum Wohle der Stadt tätig zu werden, habe ich nicht daran gedacht. Es war ausschließlich mein Wunsch, mit meinen Möglichkeiten meiner Heimat, die mich nie losgelassen hat, zu dienen. Ich verhehle nicht meine Genugtuung darüber, dass es mir einigermassen gut gelungen ist.

Es wäre mir aber nicht gelungen, wenn ich nicht meine tatkräftige und tüchtige Frau an meiner Seite gehabt hätte. Als ich mit ihr über mein Vorhaben sprach, war sie zunächt überhaupt nicht begeistert: „Ich kenne ja niemanden dort und kann auch die Landessprache nicht. Was soll ich also dort? Ja, es ist Deine Heimat, aber ich bin in Bayern verwurtelt.“ Nach einiger Zeit kam sie aber zu mir und sagte: „Hör zu Sachse, ich habe nachgedacht und mich entschlossen mitzumachen. Ich glaube, es wird interessant und ich bin bereit, mit Dir ein neues Leben in Deiner Heimat zu beginnen.“ Also packten wir unsere Koffer und seither ist sie stets an meiner Seite und unterstützt mich in allen meinen Vorhaben. Ohne sie hätte ich vieles nicht geschafft. Jedes Mal, wenn ich auf Schwierigkeiten stieß, oder nicht weiter wusste, hat sie mich nicht nur ermuntert, sondern wusste auch immer einen guten Rat. Übrigens war auch sie es, die mich auf die Idee brachte und insistierte, die Bergschule als erstes großes Investitionsobjekt auszuwählen. Aber nicht genug damit: Sie hat mittlerweile Rumänisch gelernt und impliziert sich sehr erfolgreich selbständig mit viel Phantasie und Tatkraft und mit ihren eigenen Verbindungen zu Sponsoren und Hilfsorganisationen im Interesse de Josef Haltrich Lyzeums. Sie hat sich um die Stadt und speziell um das JHL sehr verdient gemacht. Dafür möchte ich ihr an dieser Stelle ganz herzlich danken und ich schließe sie in die Ehre, die mir heute zuteil wurde voll mit ein.

Ich möchte schließlich auch allen Freunden und Helfern, die uns von Anfang an freundlich aufgenommen und unterstützt haben, herzlich danken. Wir haben uns von Anfang an in Schäßburg sehr wohl gefühlt.

Recht herzlichen Dank!!