Historikerstammtisch 2008

Jede Wissenschaft hat ihr Fachchinesisch. Der Historiker bedient sich entweder einer Aneinanderreihung von Jahreszahlen oder von Orten, wo etwas mehr oder weniger entscheidendes geschah. Vor allem die Franzosen lieben dies. Aber auch wir Teutonen zeigen mit dieser Methode den Laien, wo es langgeht.

Professor: „Was wird die Fachschaft heuer feiern? Ich hoffe doch Münster und Osnabrück!“

Student: „Wir hatten eher an Frankfurt gedacht.“

Professor: „Nein, nein, Frankfurt war doch ein Hirngespinst. Münster und Osnabrück waren viel entscheidender. Immerhin gingen Holland und die Schweiz verloren.“

Student: „Aber Rom, Augsburg und Genf konnten doch wieder irgendwie koexistieren.“

Professor: „Das schon, aber dieses elende Prag, das mit Münster und Osnabrück nach dreißig Jahren endlich endete, hat viel Leid über unsere Altvorderen gebracht. Es hat über hundert Jahre gedauert, bis ein anderes Prag kam.“

Student: „Ihm folgte aber Kolin.“

Professor: „Was ist Kolin gegen Roßbach, Leuthen und Zorndorf?“

Student: „Und was ist Kunersdorf?“

Professor: „Sie haben recht, das war nicht schön. Aber es folgten schließlich Liegnitz und Torgau und schlußendlich Hubertusburg.“

Student: „Wenige Jahrzehnte später aber folgte Paris, Paris und noch einmal Paris.“

Professor: „Das ist wohl war. Valmy war eine Riesenblamage. Ebenso Luneville und Campo Formio. Und dann auch noch Ulm, Austerlitz und Jena und Auerstedt und schließlich Tilsit.

Student: „Na, ja, es folgten aber dann Tauroggen und Leipzig.“

Professor: „Es war auch höchste Zeit. Ohne Leipzig hätte es kein Wien und sicher auch kein Waterloo gegeben. Aber sagen Sie, wie kommen Sie auf Frankfurt?“

Student: „Nun ja, Frankfurt war doch ein Lichtblick nach Karlsbad und Göttingen.“

Professor: „Und was hat es gebracht? Nichts! Da war doch Königsgrätz etwas ganz anderes.“

Student: „Es führte aber auch nach Bad Ems.“

Professor: „Was aber auf kürzestem Wege nach Sedan führte.“

Student: „Ja, ja, und was hat es gebracht, trotz Berlin kam es zu Sarajevo und schließlich zu Versailles.“

Professor: „Aber es gab auch Tannenberg und Brest-Litowsk. Nur Verdun, das war hart. Ohne Verdun hätte es nie Versailles gegeben.“

Student: „Versailles hat aber auch Weimar möglich gemacht.“

Professor: „Weimar, Weimar! Weimar hat nie eine Chance gehabt: Da gab es doch gleich zweimal München.“

Student: „Wenn es Bad Harzburg nicht gegeben hätte, dann hätte Weimar vielleicht doch eine Chance gehabt.“

Professor: „Nach Bad Wiessee, war aber alles vorbei. Dann kam noch einmal München, was dann zu Gleiwitz führte.“

Student: „Und was ist mit Dachau, Buchenwald und Flössenburg?“

Professor: „Hören Sie bloß auf, das wissen wir doch alle. Es kam ja dann auch noch Wannsee und Auschwitz. Aber lassen wie das! Das neue Versailles war Potsdam, aber viel schlimmer.“

Student: „Ja, Potsdam! Es gab aber dann auch noch Stuttgart, London und München.“

Professor: „Hat alles nichts genutzt. Nach Prag und Berlin konnte es nur noch Frankfurt und Bonn geben. Jetzt ist es schon spät. Wenn ich jetzt nicht nach Hause gehe, muß ich nach Canossa. Auf Wiedersehen!“

Student: „Auf Wiedersehen!“