Die interessante Geschichte eines genialen Abenteurers und Hochstaplers, der es zum Fürsten des Donaufürstentums Moldau brachte.
Jacob Basilikus Heraklides
ein genialer Abenteurer und Hochstapler
1954 veröffentlichte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss das Buch „Schattenbeschwörungen, Randfiguren der Geschichte“. Dort erschien unter anderem die Lebensbeschreibung von zwei Abenteurern bzw. Hochstaplern, die heute in Vergessenheit geraten sind. Es handelt sich erstens um den westfälischen Baron Theodor von Neuhoff, der es im 18. Jahrhundert auf grotesk-abenteuerliche Weise zum kurzzeitigen König von Korsika brachte. Zweitens ging es um den Grafen Moritz von Benjowski, einen Kleinadligen slowakisch-ungarisch- polnischer Herkunft, der im 7-jährigen Krieg als österreichischer Offizier in russische Gefangenschaft geriet und nach konspirativen Umtrieben auf die Halbinsel Kamtschatka verbannt wurde. Dort zettelte er eine Revolte an, floh mit seinen Spiessgesellen auf einer gekaperten Galiote und gelangte über Macao, Mauritius und Madagaskar nach Frankreich, wo er Ludwig XVI. für das Projekt einer Eroberung und Kolonisierung Madagaskars gewann. Mit französischen Truppen machte er sich ans Werk, eroberte rasch die Insel und ließ sich von den ihm wohlgesonnenen Eingeborenen zum König erheben. Nach einer französisch-königlichen Inspektion der Insel segelte er nach Frankreich, um sich zu rechtfertigen. Obwohl im die Rechtfertigung gelang, kehrte er nicht auf die Insel zurück, sondern vagabundierte in Europa und Amerika herum bis er schließlich wieder Dienst in Österreich-Ungarn nahm. 1783 startete er erneut erfolgreich ein Madagaskar- Unternehmen, dieses Mal unter österreichischer Flagge. 1785 intervenierten französische Truppen von Mauritius aus und 1786 erlag Benjowski seinen Verletzung im Kampf gegen die Franzosen.
Inspiriert durch diese beiden Figuren kam mir nach langer Zeit eine andere abenteuerliche historische Gestalt in Erinnerung, die mit der Geschichte des Donaufürstentums Moldau eng verbunden ist: Jakob Basilikus Heraklides, Fürst der Moldau 1661-1563. In der rumänischen Historiographie wird dieser Fürst Despot-Voda genannt. Despot war ein griechischer Herrschertitel, also ein terminus technicus. Der Einfachheit halber wird Jacob Basilikus Heraklides in den folgenden Zeilen auch so genannt. Der beste Kenner dieses sonderbaren Abenteurers ist Hans Petri, ehemals evangelisch-lutherischer Pfarrer in Bukarest, der in der Zeit nach dem I. Weltkrieg allen erreichbaren Hinweisen und deren Verästelungen nachgegangen ist. 1927 veröffentlichte er im „Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Neue Folge, 44 Band, 1. Heft“ : Das Leben des Jakob Basilikus Heraklides, Fürsten der Moldau (1561-1563) aus dem lateinischen Text des Johann Sommer übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen.
Es handelte sich um einen Augenzeugenbericht und um die wohl objektivste Darstellung des späten Lebensweges dieser schillernden Figur. In großen Teilen folgt der Autor dieser Zeilen diesem Augenzeugenbericht und der Einleitung sowie den Anmerkungen Petris.
Nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 und der ägäischen Inseln, das griechische Festland war vorher schon von den Osmanen okkupiert worden, tauchten in ganz Europa zahlreiche tatsächliche oder angebliche Nachfahren byzantinischer Kaiserhäuser und hochadliger Familien auf: Cantacuzinos, Paleologen, Komnenos und viele andere. Tatsächliche Nachfahren und Hochstapler waren kaum noch auseinander zu halten. Es tummelten sich neben ernsthaften Persönlichkeiten die abenteuerlichsten und dubiosesten Gestalten auf den europäischen Höfen herum und versuchten mit den erlauchten Namen ihr Glück zu machen. Manchen gelang es, manchen nicht.
Über die Herkunft des Despoten gibt es die verschiedensten und widersprüchlichsten Varianten. Er selbst gab vor, der Sohn des Despoten von Samos zu sein, der als einziger dank seiner Amme den Massakern durch die osmanischen Eroberer entkommen sei. Später sei er von einem griechischen Gelehrten namens Hermodorus Lestarchus auf Chios in Obhut genommen worden. Je nach Opportunität hat er seine Herkunftslegende immer wieder modifiziert. Kritiker beschreiben ihn als Sohn eines kretischen Lohnschiffers, der in Flandern durch Betrug in den Besitz von adligen Herkunftspapieren gelangt sei. Er sei nämlich in Brüssel in den Dienst des landflüchtigen Despoten von Samos und Paros getreten und habe durch seine Gewandtheit das Zutrauen seines Herren erworben und habe sich nach dessen Tode seiner Papiere bemächtigt, auf Grund derer er sich nun selbst als erbberechtigter Prinz von Samos ausgebe. Ein anderes Mal will er auf Rhodos geboren sein. Nicht nur über seiner Herkunft, sondern auch über seiner Jugend liegt ein Schleier. Angeblich ist er über Rom und Malta nach Montpellier gelangt, wo er studiert und eine Familie gegründet haben soll. Später findet man ihn in der Umgebung des Kaisers Karl V. in Flandern, an dessen Feldzügen er teilgenommen hat. Nach Frankreich ist er nie wieder zurückgekehrt, da er dort wegen Mordes gesucht wurde. Angeblich soll er dem Liebhaber seiner liederlichen Frau aufgelauert haben und ihn heimtückisch ermordet haben. Nach seinem Aufenthalt in Flandern verbringt er längere Zeit am Hofe des Grafen Volrad von Mansfeld und in der Umgebung von Günther von Schwarzburg, über die er in enge Verbindung zu Melanchthon und Luthers Schwiegersohn Georg von Kunheim tritt. Auch Luthers Sohn Paul, einen berühmten Prominentenarzt, will er gekannt haben. Auf jeden Fall hing er zu diesem Zeitpunkt schon der lutherischen Lehre an. Nach einem Aufenthalt am dänischen Königshof hat er angeblich an der Rostocker Universität als Professor für Mathematik, seine große Leidenschaft, wie Sommer bestätigt, gearbeitet. Schließlich gelangt er mit diversen Empfehlungsschreiben versehen zu Herzog Albrecht von Hohenzollern nach Königsberg, der ihm sehr wohlgesonnen war und der ihn in den polnischen Hof in Krakau eingeführt hat. In Polen lernt er alle wichtigen Persönlichkeiten kennen und freundet sich mit Albert Lasky, einem über die Massen reichen Condotiere, an. Auch die Beziehungen zum Kaiserhof weiß er zu pflegen. Der Nachfolger Karls, sein Bruder Ferdinand, und dessen Sohn Maximilian hatten für alle Einflüsterungen des Despoten ein offenes Ohr. So verfestigt sich allmählich die Idee, mit Hilfe des Despoten sich des moldauischen Thron zu bemächtigen und auf dieser Basis nach Siebenbürgen und in die Walachei vorzudringen und so die Osmanen allmählich zurückzudrängen. Ein verwegener Plan! Der Despot muss wohl nicht nur eine erstaunliche Sprachbegabung, sondern auch ein äußerst einnehmendes Wesen und eine große Überzeugungskraft besessen haben. Anders ist sein Einfluß auf diese führenden Köpfe nicht zu erklären. Bereits im Frühjahr 1558 stattete er Alexander Lapusneanu, dem Fürsten der Moldau, gewissermaßen als Erkundungsoperation, einen freundschaftlichen Besuch ab und versuchte diesen in den Glauben zu versetzen, er wolle von hier aus seine ihm zustehenden Herrschaft auf Samos zurückerobern und erbat zu diesem Zweck von Alexander Waffen und Geschütze. Dabei machte er geltend, er sei ja schließlich mit Alexanders Gattin Ruxandra, einer Tochter des serbischen Despoten, eng verwandt. Er bat also um einen Verwandtschaftsdienst. Hierbei hat er bezüglich seiner Herkunft wieder einmal dicke Schminke aufgetragen, wie auch später, als er im Kampf gegen Alexander den moldauischen Bojaren gegenüber geltend machte, er sei moldauischen Blutes, denn sein Vater habe am moldauischen Hof eine herausragende Rolle gespielt, sei aber von Alexander meuchlings ermordet worden. Der notorisch mißtrauische Alexander durchschaute jedoch das Spiel und der Despot musste Hals über Kopf fliehen. Er fand zunächst Unterschlupf in Kronstadt. Dort gab er dann seine absurde Ahnentafel heraus, in der er seinen Stammbaum bis auf Herakles zurückführte. Daher auch sein angenommener Name Heraklides. Er mußte aber auch von dort fliehen, da die reichen Kronstädter Kaufleute nicht bereit waren, sich um seinetwillen mit ihrem wichtigen Handelspartner Alexander zu überwerfen.
Als er nach Polen zurückgekehrt war, begann er unermüdlich alle Fäden zu spinnen und schuf eine starke „Koalition der Willigen“ zur militärischen Eroberung des moldauischen Throns. Um dieses Unternehmen zu finanzieren lieh er sich unter Vermittlung durch Albrecht von Preußen bei Albert Lasky 10.000 Goldstücke, eine für damalige Verhältnisse ungeheuer hohe Summe. Lasky war ein äußerst wohlhabender polnischer Magnat, der seinen Sitz in der an ihn verpfändeten Stadt Käsmark in der Zips hatte. Er galt als skrupellos und brutal. Der Kaiser stellte ihm auch eine gewisse Summe zur Verfügung. Mit diesen Geldern warb er nun nicht nur eine größere Söldnertruppe sondern in Gestalt des Söldnerführers Antonius Szekeli auch einen begabten Feldherren an. Damit war alles für eine Invasion vorbereitet und alle Beteiligten erhofften sich große Gewinne: Der Kaiser hoffte auf eine erfolgreiche Zurückdrängung der Osmanen, sein Komplize und spätere Gegner Lasky noch mehr Reichtum und Macht, Szekeli hohen Sold und Möglichkeiten zur Plünderung und schließlich der Despot selber einen Fürstenthron mit der Aussicht auf die Eroberung auch von Siebenbürgen und der Walachei. Die Invasion verlief erfolgreich und fast unblutig, denn Alexander verlor sehr rasch die Nerven und floh nach Istanbul zum Sultan. So konnte sich der Despot problemlos mit Hilfe der von Alexander vertriebenen und jetzt zurückkehrenden Bojaren auf den Thron setzen. Sofort begann er mit einer umfangreichen Reformpolitik und Modernisierung des Landes, die aber in der noch sehr archaischen Gesellschaft nicht verfingen. Erstaunlicherweise akzeptierte der Sultan diese ungewöhnliche Thronbesteigung, allerdings verbunden mit exorbitant hohen Tributforderungen.
Natürlich geriet er in große Geldnot, zumal das Land schon von Alexander fast völlig ausgeplündert worden war. Das Einschmelzen wertvoller Kultgegenstände zum Zweck der Münzprägung reichte bei weitem nicht aus, erregte aber großen Unmut in der konservativen orthodoxen Bevölkerung. Seine Forderung an das Fürstentum Siebenbürgen, ihm die moldauischen Lehensgüter Cetatea de Balta (Kokelburg) und Ciceu, die frühere moldauische Fürsten erworben hatten, mittlerweile aber wieder verloren gegangen waren, zurückzuerstatten, blieb erfolglos. Er mußte daher den steuerlichen Druck auf die Bevölkerung und vor allem auf die Bojaren empfindlich erhöhen, was zu großer Unzufriedenheit und allmählich wachsendem Widerstand führte. Besonders allergisch reagierte die Bevölkerung auf die Zurückdrängung der Orthodoxie zugunsten des lutherischen Bekenntnisses und die massive Bevorzugung deutscher und ungarischer Siedler, von denen es zu der Zeit sehr viele gab. Ganze Städte und ausgedehnte Landstriche waren wie in Siebenbürgen deutsch besiedelt, was sich natürlich sehr positiv für das lutherische Bekenntnis auswirkte. Die Schaffung einer deutsch-evangelischen Bildungsanstalt auf hohem Niveau mit Schule, Bibliothek und Forschungszentrum in Cotnar erregte höchstes Mißtrauen. Zum Leiter der Bildungsanstalt ernannte er den Verfasser des von Hans Petri übersetzten und veröffentlichen Augenzeugenberichts Johannes Sommer. Schließlich berichten Sommer und andere Augenzeugen von einem wachsenden Cäsarenwahn des Fürsten. Zu allem Überfluss erklärte ihm auch Albert Lasky die Feindschaft und forderte seine Leihgabe zurück. Ganz offen näherte sich dieser dem undurchsichtigen und draufgängerischen Kosakenhetman Dmytro Wyschneweckyi an, der nun den Despoten von Lemberg aus bedrohte. Der Fürst hatte sich also mittlerweile zwischen alle Stühle gesetzt. Auch strategisch befand er sich in einer Sackgasse. Seinen Feldherrn Szekeli hatte er zwar reich entlohnt entlassen, die zahlreichen und kostspieligen Söldner aber weiterhin in voller Gänze unter Waffen gehalten, was vom Sultanshof äußerst mißtrauisch beobachtet wurde. Andererseits wäre eine Abrüstung auf völlige Missbilligung durch den Kaiser gestoßen, da eine Zurückdrängung der Osmanen dadurch wieder in weite Ferne gerückt wäre. Diese prekäre Lage verschlimmerte sich, als die aufgebrachten Bojaren sich um einen gewissen Stefan Tomsa scharten und diesem den Thron anboten. Die Bojaren selbst scheuten sich, für sich nach dem Thron zu greifen, da dieses Unterfangen erfahrungsgemäß mit großer Gefahr für Leib und Leben und vielen Unwägbarkeiten verbunden war. Die Festung Suceava, in der sich der Despot verschanzt hatte, wurde nach monatelanger Belagerung schließlich durch Verrat eingenommen und Tomsa erschlug eigenhändig den gefangenen Despoten. Den rivalisierenden Kosakenhetman ließ er ebenfalls fangen und nach Istanbul schaffen, wo er eines grausamen Todes starb. Dieser Sieg blieb jedoch nicht von langer Dauer, denn Tomsas viele Eigenmächtigkeiten erregten großen Missmut am Sultanshof und der Sultan entschied, Alexander erneut auf den Thron zusetzen. Dieser rückte daraufhin mit türkischen und tatarischen Truppen vor und vertrieb Tomsa samt dessen verbündeten Bojaren. Auf sein energisches Betreiben hin wurden sie alle im polnischen Lemberg hingerichtet. Mit der zweiten Regierungszeit Alexanders wurde seine grausame Terrorherrschaft der ersten Regierungszeit fortgesetzt. Die zweijährige widersprüchliche Regierungszeit des griechischen Abenteurers blieb Episode.
Der Autor des von Hans Petri übersetzten und herausgegebenen Augenzeugenberichtes Johannes Sommer gehört auch in die Reihe der Abenteurer, die es im 16. Jahrhundert so häufig gab. Johannes Sommer wurde 1541 in Pirna geboren. 1562 finden wir ihn als Studenten an der Universität von Frankfurt an der Oder. Seine ausgeprägte Abenteuerlust führt ihn aber im gleichen Jahr in die Moldau zu dem Despoten, von dem offensichtlich in ganz Europa rühmlich gesprochen wurde. Dieser verwendete ihn zunächst als Schreibkraft und machte ihn später zum Leiter der Bildungsanstalt in Cotnar. Nach dem Sturz des Despoten musste er fliehen und irrte drei Monate lang in Bauernkleidung durch Weingärten und Wälder, bis er endlich nach Kronstadt in Siebenbürgen gelangte. Dort war er dann 1565 bis 1567 Rektor der vom Reformator Johannes Honterus gegründeten Schule. Anschließend ging er in gleicher Eigenschaft nach Bistritz und siedelte schließlich 1570 nach Klausenburg über, wo er abermals Schulleiter wurde. Hier trat er nun mit den Führern der unitarischen Bewegung in Beziehung und besonders mit Franz Davidis, dessen Schwiegersohn er wurde. 1574 starb er zusammen mit seiner Gattin und seiner Schwiegermutter an der Pest. Sein Nachfolger an dem inzwischen unitarischen Kolleg wurde der bedeutende Gelehrte und Theologe Jakob Paleologus, der wohl tatsächlich von der byzantinischen Kaiserdynastie der Paleologen abstammte und nach einer langen und zum Teil gefährlichen Odyssee über Italien, Frankreich und Polen nach Klausenburg gelangt war.
Der Siebenbürger Sachse Franz Davidis wurde nach seinem Studium in Wittenberg evangelisch- lutherischer Pfarrer in der konfessionell und ethnisch gespaltenen Stadt Klausenburg. Die Deutschen wandten sich dort wie im übrigen Siebenbürgen der lutherischen Lehre zu, wohingegen die Ungarn der Lehre von Johannes Calvin anhingen. Später wechselte er zum Kalvinismus und schließlich zum Unitarismus, wodurch er völlig magyarisiert wurde. Gegen Ende seines Lebens radikalisierte er sich noch mehr und näherte sich den Nonadoranten und schließlich den Sabbatariern an. Deswegen und wegen seines aussergewöhnlich streitbaren Temperaments ließ ihn der Fürst verhaften und er starb 1579 als Gefangener auf der Festung in Deva.